Schliesslich prophezeit “Der Philatelist”:
»Die Tagespresse lässt natürlich in ihrer einstimmigen Objectivität nur ”die Briefmarkensammler” es so wichtig mit der bewussten Karte haben, aber der Beweis kann fingerleicht erbracht werden, daß selbst an Postorten, wo gar keine Philatelisten wohnen, die Karten in den ersten zwei Stunden ebenfalls total vergriffen waren! Das war hier so und an vielen anderen Orten war es desgleichen. Ueber die Jahrhundertkarte ein Wörtlein zu sagen, sei uns gestattet. An sich ist sie eigentlich ziemlich nüchtern, einfach und prunklos; ein kühner Gedankenflug liegt nicht im Geringsten darin; noch viel weniger hat man sich bemüht, bezüglich kunstvoller Herstellungsart und ansprechenden Motives eine kleine Anleihe bei der zu höchster Kunstentwicklung gelangten Ansichtskartenherstellung zu machen! Wir gestehen, von der Jahrhundertkarte doch etwas enttäuscht zu sein und denken, die Ansichtskarten-Verleger werden schon demnächst an ihren Ausgaben beweisen, was sich an einer Jahrhundertwende auf einer Postkarte im Bild Alles sagen
läßt. Trotzdem wird diese officielle Karte für alle Zeiten ein Gedenkstück bleiben und es bedeutet eine Würdigung der Philatelie mit, daß man an competenter Stelle den Übergang in ein neues Jahrhundert in erster Reihe durch Ausgabe eines besonderen Postwerthzeichens feiert! Das danken wir gern und frohherzig der deutschen Generalpostdirection.«Nicht nur die Reichspostverwaltung, sondern auch die Stadtpost nutzte das Motiv der Jahrhundertkarte. Die Stadtposten waren in zahlreichen größeren Städten entstanden und beförderten innerorts Briefe, Postkarten, Drucksachen, Zeitungen, Pakete und so weiter.
Die Stadtpost-Anstalten waren sehr beliebt, weil das Porto günstiger war. Das Reichspostgesetz vom 28. Oktober 1871 bot die Grundlage für die Einrichtung privater Stadtposten in Deutschland. Als Vorläufer der deutschen Stadtpost kann wohl die in Berlin von 1800-1806 tätige “Fußbotenpost” betrachtet werden. Im Ausland gab es Privatpostanstalten bereits wesentlich früher; in London die “Penny Post” seit 1683, in Paris “La petít Poste” seit 1758 und in Wien die “Klapperpost” seit 1772.
Erst durch ein Gesetz vom 20. Dezember 1899 sind die Stadtposten am 31. März 1900 aufgehoben worden. Als Paketbeförderungsanstalten bestanden viele jedoch weiterhin.
Zu den zentralen Feiern im Jahre 1900 gehörte das 500jährige Geburtsjubiläum (das genaue Geburtsjahr ist nicht bekannt) von Johannes Gensfleisch zur Laden zum Gutenberg. Wie sehr er und seine Leistungen geschätzt wurden, wird in den Kritiken an der Jahrhundertkarte besonders deutlich.
So sagte der Abgeordnete Dr. Hermann Müller-Sagan (1857-1912) in der Reichstagsitzung vom 30.1.1900:
» Man sagt, die neue Briefmarke soll unsere Brüder jenseits des Mains für die Einheitsmarke gewinnen. Vom ästhetischen Standpunkt ist sie nicht zu billigen und ich glaube, Gutenberg, Senefelder (Alois Senefelder, 1771-1834, Erfinder des Steindruck-Verfahrens) und wie sie alle
heissen, würden sich im Grabe umdrehen, wenn sie solche graphischen Erzeugnisse aus der Kunstanstalt der Reichsdruckerei erblicken. «
Den wohl deutlichsten Verweis hat den neuen Karten aber der Buchdruckereidirektor Lehmann in seiner Rede bei Gelegenheit der Silvesterfeier des Gutenbergbundes in Mainz gegeben. Er führte aus:
» Gutenberg sei zur Erde gekommen, habe sich über die kolossalen Fortschritte seiner Erfindung sehr gefreut und die von ihm gemachten Anfänge sehr beschämend gefunden. Da zeigte Ihm der jüngste Lehrling des Geschäftes in demutsvoller Huldigung die neue Jahrhundertkarte. Gutenberg betrachtete sie lange; endlich sagte er seufzend: - Ihr mögt ja so weit fortgeschritten sein, meine Lieben, in einer Sache nehme ich es doch mit euch auf, und das ist der gut geläuterte Geschmack. Vergleicht dieses neueste Produkt mit den Initialen meiner 42 zeiligen Bibel, dann urteilt, wer weiter war. «
Während der gesamten Verwendungszeit von mehr als 21 Jahren wurde über die Darstellung der Germania auf den Briefmarken hergezogen.
So beschrieb M. Mathesius im Jahre 1918 in der Zeitschrift Dekorative Kunst die Germaniamarke als :
» ...Die stümperhafteste Leistung der Welt. «
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